Wir werden immer wieder mal gefragt, welche Espressomaschine wir als „Espresso-Nerds“ für den Einstieg empfehlen würden. Wie vermutlich die meisten, die sich mal intensiver mit etwas beschäftigt haben, geraten wir dabei schnell in einen schwer zu durchdringenden Redeschwall, weshalb wir uns entschlossen haben, das Wissen darüber mal in strukturierter(er) Form aufzuschreiben.
Disclaimer: Wie bei jedem Hobby ist es problemlos möglich, auch das Espressozubereiten noch exzessiver zu betreiben. Wir hoffen, einen Mittelweg darzustellen – sind uns aber mehr als bewusst, dass es sicher auch Espressotrinker mit noch höheren Ansprüchen geben mag.
Was brauche ich für den Einstieg?
Die Minimalausrüstung aus unserer Sicht: Du brauchst eine gute Mühle, gute Bohnen und – natürlich – eine Espressomaschine. Die Reihenfolge ist hierbei durchaus bewusst gewählt: Ohne Mühle geht es nicht! Der ein oder andere von uns *grins* hat es vor mittlerweile 14 Jahren mal versucht, und obwohl absolute Aussagen ja meistens falsch sind, machen wir hier eine Ausnahme: Es ist absolut unmöglich, mit vorgemahlenem Kaffee einen guten Espresso aus einer Siegträgermaschine zu beziehen. Punkt.
Die Mühle
Die wichtigste Anforderung an eine Espressomühle ist die Fähigkeit, gleichmäßig-feines Kaffeemehl zu produzieren. Unter der Lupe betrachtet, besteht Espressomehl aus feinen „Blättchen“, die viel Oberfläche aufweisen. Produziert werden diese nur durch Mühlen mit Mahlscheiben oder konischen Mahlwerken. Schlagmessermühlen schaffen das nicht, das Mahlgut würde viel zu ungleichmäßig werden und nicht die richtige Struktur aufweisen.
Für den Anfang gibt es sogar einige überraschend preiswerte Handmühlen. Diese sind absolut geeignet zur Zubereitung von Espresso und auch sehr leise – wie lange ihr daran Spaß haben werdet, sei mal dahingestellt… Auf jeden Fall macht das Handmühlen die Kaffeezubereitung zu einer echten Zeremonie. 🙂 Zu den Mühlen kommt in nächster Zeit noch ein eigener Eintrag.
Die Bohnen
Gute Espressobohnen bekommst du selten im Supermarkt. Die meisten industriell hergestellten Espressobohnen werden in großen Öfen geröstet, um den Produktionsoutput zu erhöhen, oft mit sehr hohen Temperaturen. Das resultiert oftmals in Bohnen, die außen dunkel und innen noch fast roh sind. Kleine, spezialisierte Röstereien lassen sich mehr Zeit, rösten weniger Bohnen auf einmal und das bei niedrigeren und schonenderen Temperaturen. Dies führt zu einem gleichmäßigeren Röstergebnis. Noch dazu wissen sie normalerweise, woher die Bohnen stammen und unter welchen Bedingungen sie angebaut wurden. Ein wichtiger Punkt bei einem Produkt, das meist aus eher armen Ländern stammt. Mit 30 bis 35 EUR/kg wirst du allerdings rechnen müssen, deutlich günstigere Preise sind fast nicht zu bekommen und deuten auf Industrieprodukte hin.
Die Espressomaschine
Kommen wir zu dem Punkt, der euch vermutlich am meisten interessiert: Die Espressomaschine. Überspitzt gesagt, handelt es sich bei einer Espressomaschine um nichts anderes als einen Kessel mit Heizung und Ventilen, einer Pumpe und einer Vorrichtung um den Siebträger einzuspannen – sind diese Elemente vorhanden und von guter Qualität, reicht das Setup bereits für einen guten Espresso – die Wahl der Maschine ist dafür gar nicht so bedeutsam. Denn: Die beste und teuerste Maschine wird ohne richtige Bohnen und einer guten Mühle nichts Genießbares produzieren können.
Trotzdem gibt es natürlich viele bedeutende Unterschiede zwischen den Maschinen und Details, auf die ihr beim Kauf achten solltet.
Einkreiser oder Zweikreiser?
Diese Frage ist wohl die Grundlegendste bei der Wahl der Siebträgermaschinen. Der Einkreiser besitzt lediglich einen Kessel, der sowohl für das Aufheizen des Espressowassers, als auch für den Dampf zum Aufschäumen der Milch zuständig ist. Konkret bedeutet das für die Zubereitung eines Cappuccinos: Ihr müsst zuerst den Espresso zubereiten, dann mittels der Dampftaste den Kessel auf eine höhere Temperatur umschalten, warten, bis Dampf entstanden ist. Dann erst könnt ihr die Milch aufschäumen. Nach Beenden des Aufschäumens, musst der Kessel wieder auf Normaltemperatur abgekühlt werden (Dies kann beschleunigt werden, in dem durch Anschalten der Pumpe kaltes Wasser in den Kessel geleitet wird – wenn ein klarer Wasserstrahl aus der Dampflanze kommt, ist der Kessel wieder abgekühlt). Erst jetzt kannst du den nächsten Espresso zubereiten. Auch ist die Dampfleistung, also die Menge des entnehmbaren Dampfes oft zu knapp für größere Mengen aufgeschäumter Milch.
Ihr seht schon, mit einem Einkreiser wird eine „Massenproduktion“ von Cappuccino nicht möglich sein, deine Gäste müssten eine Zeitlang warten. Wenn du eh keine Milchgetränke magst, ist das natürlich kein Kriterium.
Neben dieser systembedingten Einschränkung handelt es sich bei Einkreisern meistens um reine Haushaltsmaschinen mit einem kleinen Kessel. Dies führt auch zu einer geringeren Temperaturstabilität: Während des Bezugs kühlt der Kessel stärker ab, was Auswirkungen auf den Geschmack des Espressos hat. Dazu kann es passieren, dass der zweite Espresso anders schmeckt als der erste, da sich die Temperatur verändert hat. Manche Maschinen besitzen eine elektronische Steuerung (genannt PID Controller – Proportional Integral Derivative Controller), die diese wellenförmige Temperaturschwankung durch „vorausschauendes“ Aktivieren der Heizung glätten. Hier ist oft auch möglich, die Brühtemperatur zu wählen und auf die jeweilige Bohne abzustimmen.
Der Zweikreiser weist zwei ineinanderverschachtelte Kessel mit unterschiedlichen Temperaturen auf, die zusammen in einem thermischen Gleichgewicht stehen. Meist sind es ein großer Kessel der Heißwasser für Teebezug und Dampf für das Milchaufschäumen produziert und ein kleinerer Kessel für den Espressobezug. Durch diese Anordnung ist es möglich, gleichzeitig Dampf und Espresso zu beziehen. Durch die Größe der Kessel sind diese Maschinen sehr temperaturstabil: Sie sind unmittelbar nach der Zubereitung eines Espressos/Cappuccinos wieder einsatzbereit. Auch die Temperatur während des Bezugs bleibt stabiler als bei den meisten Einkreisern. Viele der professionellen Maschinen in Cafés und Restaurants funktionieren nach diesem Prinzip.
Darüberhinaus gibt es auch noch den Dualboiler. Hier gibt es zwei voneinander getrennte Kessel, die einzeln gesteuert werden und ebenfalls unabhängige Dampf- und Brühwasserkreisläufe aufweisen. In letzter Zeit gewinnen diese Maschinen zunehmend an Beliebtheit, sind allerdings wegen des oft kleinen Kessels ähnlich wie der Einkreiser oft nicht so temperaturstabil und haben im niedrigeren Preissegment oft weniger Dampfleistung als die Zweikreiser.
Heiztechnik
Weitere Unterschiede der Maschinen betreffen die Art, wie das Wasser erhitzt wird. Bisher habe ich hauptsächlich von Kesseln oder Boilern gesprochen, also einer Kammer, die mit einer innen oder teilweise auch außen montierten Heizung erhitzt wird. Abhängig von den verwendeten Materialien und der Kesselgröße gibt es Unterschiede bzgl. der Temperaturstabilität während des Bezugs und der notwendigen Zeit, bis die Maschine Betriebstemperatur erreicht hat.
Eine ganz andere Bauweise ist der sogenannte Thermoblock. Bei dieser Bauweise wird das Wasser durch ein spiralenförmiges Rohr geleitet, das in einem beheizten Metallblock (meistens Aluminium) verbaut ist. Wie bei einem Durchlauferhitzer erreicht das Wasser so am Ausgang die Brühtemperatur.
Pauschal ist kaum zu sagen, welches System besser ist. Gegenüber Boilermaschinen haben Thermoblockmaschinen aber einige systembedingte Nachteile: Die Temperatur am Ausgang des Thermoblocks ist abhängig von der Durchlaufgeschwindigkeit des Wassers, da der massive Metallblock ständig Energie an das Wasser im Heizrohr abgibt. Optimal ist die Temperatur, wenn das Wasser vorher nicht im Block gestanden hat. Nach einer längeren Standzeit ist es also notwendig, erstmal das zu heiße Wasser ablaufen zu lassen um die Maschine in den richtigen Temperaturbereich zu kriegen. Theoretisch kann auch zu großer Gegendruck im Siebträger (viel oder sehr feines Mehl) die Durchflussgeschwindigkeit verlangsamen und so die Temperatur erhöhen. Thermoblockmaschinen wird zudem häufig nachgesagt, dass sie weniger Dampfleistung aufweisen, es also ggf. schwieriger sein könnte, Milch für Cappuccino herzustellen.
Im Dauerbetrieb hat der Thermoblock allerdings den Vorteil, dass die Maschine kaum nachheizen muss, da sie ja gerade dafür gebaut ist, ständig Wasser zu erhitzen. Wartezeiten zwischendurch, wie bei kleineren Kesselmaschinen notwendig, können so entfallen. Zudem sind auch Boilermaschinen von Temperaturinstabilität betroffen, insbesondere bei Geräten mit sehr kleinen Kesseln (teilweise mit nur 200ml Fassungsvermögen). Außerdem ist die Aufheizzeit oft geringer, aber dazu im folgenden Abschnitt mehr.
Aufheizzeit
Viele Umsteiger von Kapsel- oder Padmaschinen sind erschrocken über die Aufheizzeiten. Umso mehr, wenn wir jetzt sagen, dass die vom Hersteller angegebenen Zeiten oft deutlich zu kurz gegriffen sind. Warum? Espresso ist ein recht komplexes Gebilde (merkt man schon an der Länge dieses Beitrages… :-)), welches auf kleine Abweichungen sehr empfindlich reagiert. Seid ihr von einem Espresso begeistert, kann beim nächsten Bezug leicht kühleres Brühwasser zu einem sauren Geschmack führen, den du am liebsten ausspucken willst. Andersherum kann auch nur leicht zu heißes Wasser zu einem sehr bitteren Geschmack führen. Die Brühtemperatur ist also sehr wichtig. Da bei den meisten Maschinen die Brühgruppe, also das Bauteil in dem der Siebträger hängt, nur passiv von der Abwärme des Boilers erwärmt wird, dauert es, bis die oft aus massivem Metall gefertigten Teile Betriebstemperatur erreicht haben. Die Hersteller geben oft nur die Aufheizzeit des Kesselwassers an, die früher erreicht ist. Beim Bezug läuft dann das richtig temperierte Wasser durch eine kalte Brühgruppe – und kühlt ab.
Wirklich Betriebstemperatur hat die Maschine erst, wenn ihr euch am Auslauf des Siebträgers die Finger verbrennt. 🙂 Das dauert aber bei den allermeisten Maschinen, unabhängig von Thermoblock oder Boiler, mindestens 10 Minuten, eher sogar 20-30. Hilfreich können hierbei Zeitschaltuhren oder Smart Home Lösungen sein, mit denen ihr die Maschine automatisch einschalten lassen könnt. Aber Vorsicht: Die Maschine niemals angeschaltet allein lassen. 🙂
Das Magnetventil
Ein oft nicht beachtetes Bauteil ist das sogenannte Magnetventil. Das Magnetventil wird beim Beenden des Kaffeebezugs geschalten und erzeugt einen Unterdruck im Siebträger. Das hat zwei Effekte: Der von der Pumpe beim Bezug erzeugte Druck wird abgebaut und auf dem Kaffeepuck stehendes Wasser wird in die Brühgruppe gesaugt. Ohne dieses Bauteil müsstet ihr vor dem Ausspannen des Siebträgers einige Zeit warten, bis sich der Druck auf dem Siebträger von selbst abgebaut hat. Denn sonst ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Kaffeematsch durch die Küche gespritzt wird. Das Absaugen des Wassers bewirkt außerdem, dass das Kaffeemehl relativ trocken ist und ihr nach dem Abschlagen einen leicht zu entsorgenden Kaffeepuck erhaltet (anstatt eines Häufchen Kaffeematsches).
Darüber hinaus ermöglicht euch das Magnetventil auch das sog. Rückspülen. Hierbei handelt es sich um eine Reinigung der Brühgruppe mittels eines Blindsiebes (eines Siebes ohne Löcher) und ggf. Kaffeefettlöser. So könnt ihr einfach und effektiv die Brühgruppe von Kaffeeresten befreien.
Brühdruck
Eines der Hauptwerbeargumente für Kaffeemaschinen ist der Brühdruck – trotzdem mussten wir diesen Absatz nachträglich einfügen, da wir den Brühdruck ganz vergessen haben. Und ehrlich gesagt wäre das auch unsere Empfehlung: Vergesst ihn.
Das ist natürlich auch übertrieben. Aber die Bedeutung, die dem Brühdruck teilweise auf Werbematerial beigemessen wird, halten wir für übertrieben. Für ganz falsch halten wir die „je mehr desto besser“-Aussage, die teilweise mitschwingt. Im Netz gibt es Tausende Anleitungen von Leuten, die sogar den umgekehrten Weg gehen und den Brühdruck aktiv reduzieren.
Letztlich ist der Druck eine Stellschraube von vielen. Gerade zu Beginn würden wir empfehlen, die Freiheitsgrade eher zu verringern als zu maximieren, daher Druck konstant lassen und auf andere Dinge achten.
Werkstoffe
Weiter gibt es noch die Materialien zu betrachten, aus denen die Maschinen gefertigt sind. Insbesondere meinen wir damit die Bauteile, die mit dem Wasser in Berührung kommen. Insbesondere Alumnium hat einige Nachteile. Das Material wird aufgrund seiner thermischen Eigenschaften gern verwendet (die berühmten Herdkocher sind zum Beispiel meist aus Aluminium), macht aber das Entkalken schwierig. Die meisten Entkalkungsmittel sind auf Zitronensäurebasis, welche mit Aluminium reagiert (zu Aluminiumcitrat und Wasserstoff), diesen also angreift. Zudem sieht das Ergebnis nicht gerade appetitlich aus. Darüber hinaus wirst du Aussagen im Netz finden, die in der Aufnahme von Verbindungen aus Aluminium und Zitronensäure mögliche Kausalzusammenhänge zum Auftreten von Alzheimer thematisieren. Ob das wissenschaftlich belegten Fakten entspricht, vermag ich mangels medizinischer Fachkenntnis nicht zu sagen. Da Aluminium mit Sauerstoff sehr reaktiv ist, kommt das Brühwasser normal sowieso eher mit einer Aluminiumoxidschicht in Berührung, die zudem meist von Kalkablagerungen bedeckt ist. Insofern gehe ich davon aus, das Aluminiumkessel in Ordnung sind – solange man eben nicht mit Zitronensäure entkalkt. Kessel aus Edelstahl sind hier deutlich pflegeleichter.
Weitere Funktionen
Viele wesentlichen Features habe ich angesprochen. Darüberhinaus gibt es noch viele weitere Funktionen, die aber aus meiner Sicht nicht unbedingt notwendig, sondern eher Begeisterungsmerkmale sind. Dazu gehört der bereits angesprochene PID Controller. Es ist definitiv möglich, ohne einen solchen sehr guten Espresso zu brühen. Wenn du aber das letzte aus der Bohne herausholen willst, kann der PID Controller dabei wertvoll unterstützen. Eine Brühautomatik, also eine automatische Abschaltung des Brühvorgangs nach einer bestimmten Zeit, ist sehr bequem – allerdings sollte das Ergebnis in der Tasse ausschlaggebend sein für das Ende des Brühergebnisses, nicht die verstrichene Zeit. Das sollte gut aufeinander eingestellt sein, sonst ist die Automatik sogar kontraproduktiv. Dazu in einem anderen Blogeintrag mehr.
Was soll ich nun kaufen?
Die Antwort auf diese Frage ist die befürchtete: Es kommt darauf an. 🙂 Wie sieht dein persönliches Trinkprofil aus? Nur Espresso und nichts mit Milch? Dann wird der Einkreiser vermutlich ausreichend gute Dienste erweisen. Die Maschine sollte aus meiner Sicht aber unbedingt ein Magnetventil haben. Auch ab und zu mal einen Cappuccino bekommst du locker damit hin, auf der Familienfeier wird es aber schnell stressig. Regelmäßig Cappuccino für die Familie und Freunde? Dann führt kaum ein Weg am Zweikreiser vorbei, je nach Gerät bietet sich vielleicht auch ein Dual Boiler an. Die weiteren Funktionen sind wohl eine Frage der Zahlungsbereitschaft und spezifischer Wünsche.
Was kostet das?
Günstige Einkreiser mit Magnetventil fangen bei Neupreisen um die 400 EUR an. Zweikreiser kosten gerne das doppelte, Dual Boiler mit Thermoblock fangen bei 500 EUR an. Nach oben sind bei allen kaum Grenzen gesetzt. Möglicherweise sind aber gebrauchte Geräte eine Möglichkeit. Fachhändler bieten oft überholte Geräte an, auch Tauschbörsen wie im Kaffee-Netz sind eine Möglichkeit neben noch mehr Infos auch an gepflegte Gebrauchtgeräte zu gelangen.
Gute Mühlen sind ebenfalls nicht billig. Geeignete Handmühlen fangen bei etwa 40 EUR an, elektrische bei 120. Da es auch hier eine Vielzahl an nützlichen und komfortablen Features gibt, gehen auch hier die Preise deutlich höher.
Gute Bohnen wie gesagt etwa 30€/Kilo, dazu noch etwas Zubehör wie Brühgruppenbürste, Kaffeefettlöser und Blindsieb.
Ich hoffe, ich konnte ein bisschen Licht in dieses Thema bringen. Habt ihr eine andere Meinung? Ich freue mich über eure Kommentare.
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