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Glutenfrei kochen und backen

Es gibt hunderte von Blogs, Webseiten, Facebookgruppen und mehr zum Thema glutenfreie Ernährung und Zöliakie daher müsste auch zum Thema glutenfreie Küche eigentlich nichts mehr geschrieben werden. Leider ist es – insbesondere im deutschsprachigen Raum – immernoch äußerst erklärungsbedürftig. Die Erfahrung zeigt, dass selbst Leute, die es wissen müssten – etwa in der Gastronomie – oft nur unzureichend informiert sind, was insbesondere für Zöliakie-Patienten richtig gefährlich sein kann. Übrigens handelt es sich hier nicht nur um wenige Einzelfälle: Metastudien deuten darauf hin, dass 1% der Bevölkerung betroffen sein kann!1 Wir haben euch hier ein paar wichtige Infos anhand 7 häufiger Irrtümer zusammengefasst.

Irrtum 1 – Zöliakie ist eine Weizenallergie

Bei der Zöliakie handelt es sich um eine nach derzeitigem Stand nicht heilbare Autoimmunkrankheit. Das Klebereiweiß Gluten (lat. Leim), das insb. im Weizen das Gerüst für viele Teige bildet, löst bei den Betroffenen eine Autoimmunreaktion aus, in deren Folge sich die Dünndarmschleimhaut entzündet und die Darmepithelzellen zerstört werden. Die Folgen können unterschiedlich sein: Von kurzfristig auftretenden Symptomen wie Durchfall und Erbrechen, bis zu Karzinomen und Wachstumsstörungen bei Kindern kann vieles damit einhergehen.2 Allergien wie Weizensensitivität und Weizenallergie sind dagegen andere Krankheitsbilder.3

Irrtum 2 – Zöliakiebetroffene merken einen Glutenunfall

Wie bereits angedeutet, kann sich die Zöliakie auf unterschiedlichste Art und Weise zeigen, daher sprechen manche auch vom „Chamäleon“ der Krankheiten. Neben den bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten häufigen Symptomen wie Appetitlosigkeit, Erbrechen, Durchfall und Gewichtsverlust können auch Depressionen, neurologische Störungen, Wachstumsstörungen und als Spätfolge auch Karzinome eine Folge der Zöliakie sein.4 Besonders heimtückisch: Es kann auch passieren, dass diese Symptome nur schwach ausgeprägt oder gar nicht auftreten – Betroffene merken so nicht einmal, dass sie (versehentlich) glutenhaltige Nahrungsmittel zu sich genommen haben.5

Irrtum 3 – Haferflocken sind glutenfrei

Zugegeben, dieser Irrtum ist reißerisch formuliert und an sich falsch, denn Hafer ist an sich tatsächlich glutenfrei. Das Problem: Häufig wird Hafer bereits beim Anbau oder der Verarbeitung mit glutenhaltigem Getreide verunreinigt. Der Grenzwert von 20ppm ist dabei schnell überschritten. Daher müssen Zöliakiebetroffene unbedingt zu speziell angebauten und verarbeiteten Haferflocken greifen, die als glutenfrei deklariert sind.6

Haferflocken stehen damit beispielhaft für viele Lebensmittel, die eigentlich kein Gluten enthalten, aber durch ihre Eigenschaften besonders gefährdet sind kontaminiert zu werden. Hier einige Beispiele:

  • Mehle (bspw. aus Buchweizen, Kichererbsen, Mais, Reis…): Sie alle können in den gleichen Mühlen wie Weizenmehl verarbeitet worden sein und dadurch verunreinigt worden sein.
  • Schalenfrüchte wie Linsen und Erbsen: Auch hier finden sich öfter Getreideähren. Sie müssen vor der Zubereitung mühsam aussortiert werden.

Nicht hilfreich dabei: Häufig ist auf Lebensmitteln der Hinweis zu lesen „Kann Spuren von Gluten enthalten“. Dieser Hinweis ist allerdings nicht an einen bestimmten Grenzwert gebunden. Was eine “Spur” genau ist, können die Hersteller für sich selbst definieren. Auch wenn gar kein Hinweis auf der Verpackung zu finden ist, bedeutet das nicht, dass kein Gluten enthalten ist. So informiert bspw. die IHK Bonn/Rhein-Sieg ihre Mitglieder darüber, keinen Aufschluss über enthaltene Spuren geben zu müssen.7 Für Betroffene bedeutet das: Sie müssen – unabhängig vom Spurenhinweis – selbst beurteilen, wie groß das Risiko ist und welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Im Zweifel sollte immer die als glutenfrei deklarierte Alternative gewählt werden, insb. bei Lebensmitteln, bei denen die Verunreinigung erheblich sein kann, wie eben gemahlenen Produkten.

Übrigens: Auch Dinkel, Urweizen oder Urdinkel sind nicht glutenfrei, auch wenn solche Gerüchte immer mal wieder herumgeistern.

Irrtum 4 – Ich kann Zöliakiebetroffenen eine Freude mit etwas Selbstgebackenem machen

Diesen Irrtum aufzuschreiben hat ehrlich gesagt genervt, denn natürlich ist es eine schöne Sache und grundsätzlich wird sich der oder diejenige auch über die liebe Idee freuen. Dennoch lässt sich an diesem Beispiel schön zeigen, welche Stolperfallen bei der glutenfreien Küche lauern: Wie bereits erwähnt, liegt der Grenzwert für die Entzündungsreaktion bei 20ppm, daraus ergeben sich ungefähr 0,02g Gluten pro Kilo Lebensmittel. Es erfordert sehr viel Sorgfalt, diesen Grenzwert nicht zu überschreiten, die normale Küchenhygiene reicht hier in vielen Fällen nicht aus. Beispiel Handrührgerät: Das Gerät saugt durch die Kühlöffnungen jede Menge Mehlstaub ein – und was hereinkommt, kommt natürlich auch wieder heraus und kontaminiert so den Teig. Auch Backpinsel und alles weitere, was nicht hundertprozentig gereinigt werden kann, stellt dabei ein Problem dar.

Sind die nötigen Vorkehrungen getroffen, ist dieser Irrtum natürlich keiner mehr. 🙂

Irrtum 5 – Freibrennen des Grillrosts wird das Gluten schadlos machen

Eine gängige und grundsätzlich auch sinnvolle Praxis zur Reinigen des Grills ist es, den Grill nach Ende des Garens voll hochzuheizen um Verschmutzungen zu verbrennen und anschließend abbürsten zu können. Entgegen vieler Darstellungen hilft hohe Hitze aber nicht gegen Kontamination mit Gluten, zumindest keine Temperaturen, die mit einem Grill erreicht werden können (nein, auch nicht auf den Infrarotbrennern). Ein Grillrost auf dem schonmal das Kräuterbaguette lag ist sicher für alle Zeit kontaminiert, insb. Gussroste lassen sich gar nicht so intensiv reinigen wie es nötig wäre. Hier helfen nur Grillschalen oder Alufolie als Unterlage. Das gilt natürlich auch für Grillpfannen oder allgemein Kochgeschirr: Was nicht vollständig gereinigt werden kann, darf nicht kontaminiert werden, wenn es für die glutenfreie Küche genutzt werden kann.

Irrtum 6 – Glutenfreie Ernährung ist gesünder

Auch wenn der ein oder die andere Influencer*in etwas anderes behauptet und Aussagen über die gesundheitlichen Vorteile bestimmter Ernährungsformen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind (wie soll sowas überhaupt gemessen werden?): Rein auf Gluten zu verzichten, bringt nach derzeitigem Stand keine gesundheitlichen Vorteile – es sei denn, eine Krankheit wie Zöliakie macht dies erforderlich.8

Irrtum 7 – Zöliakiebetroffene können bedenkenlos ins Restaurant

Leider wahr, aber viele der angesprochenen Gesichtspunkten sind auch so manch Restaurantbetreiber*in leider nicht klar. Zwar ist die Allergenkennzeichnung Pflicht, aber stichprobenartige Versuche zeigen ganz klar, dass diese häufig äußerst lax interpretiert werden. Häufig sind dem Servicepersonal nicht einmal die grundsätzlichen Begriffe bekannt. Auch wenn es unangenehm ist: Hier hilft nur intensives Nachhaken – oder direkt die Wahl eines spezialisierten Restaurants (leider selten). Übrigens: Italien zeigt, dass es durchaus anders geht: Hier ist das Bewusstsein deutlich ausgeprägter und in vielen – selbst kleinen – Agriturismos wissen die Betreiber genau bescheid.

Fazit

Während vielen Menschen mit Laktoseintoleranz Laktasetabletten helfen können, sind Zöliakiebetroffene auf eine strikte Diät und den vollständigen Verzicht auf Gluten angewiesen. Der Teufel steckt dabei im Detail, es kommt nicht nur auf die richtigen Lebensmittel an – sondern auch deren Verarbeitung – bei der Produktion, aber auch Zuhause. Wir hoffen, euch ein paar nützliche Hinweise gegeben zu haben und so dabei helfen zu können, die Awareness fürdieses Thema weiter zu erhöhen.

Zum Glück gibt es im Internet viele nützliche Informationen und Tipps für Rezepte und Produkte, die beliebten glutenhaltigen Produkten zumindest sehr Nahe kommen. In den kommenden Wochen und Monaten werden wir euch auch einige Inspirationen liefern.

Interessante Links

Disclaimer: Wir haben keinerlei finanzielle noch anderweitige Vorteile von diesen Links, halten sie aber für empfehlenswert.

  • Deutsche Gesellschaft für Zöliakie: Betroffenenverband mit vielen nützlichen Hinweisen, unter anderem Infokärtchen für den Koch im Restaurant auf vielen Sprachen, Rezepte und Ideen. Eine Mitgliedschaft ist für Betroffene oder Angehörige definitiv eine Überlegung Wert
  • Tanjas’ glutenfreies Kochbuch: Viele gute Rezepte, insb. auch fürs Backen. Nicht alles trifft unseren Geschmack, aber Tanja hat viel Erfahrung und gute Hinweise.

Darüber hinaus möchten wir euch Internetforen oder Social Media Gruppen ans Herz legen um euch mit Betroffenen auszutauschen und Empfehlungen für gute Quellen für Lebensmittel oder Restaurants zu bekommen.

Quellen

  1. Singh, P. et al. (2018), Global Prevalence of Celiac Disease: Systematic Review and Meta-analysis, in: Clinical Gastroenterology and Hepatology, 16, 2018, 6, S. 824 ↩︎
  2. Deutsche Gesellschaft für Zöliakie (Hrsg, 2024), Was ist Zöliakie?, URL: https://www.dzg-online.de/was-ist-zoeliakie, abgerufen am 09.05.2024 ↩︎
  3. Inomata, N. (2009), Wheat allergy. Current opinion in allergy and clinical immunology 9, S. 238-243 ↩︎
  4. Felber, J. et al. (2021), Aktualisierte S2k-Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS), URL: https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2022/05/ZFG-Leitlinie-LL-Zöliakie_19.05.22.pdf, abgerufen am 09.05.2024, S. 797f. ↩︎
  5. ebenda, S. 809 ↩︎
  6. Immel-Sehr, A. (2010), Ein bisschen Gluten ist schon zu viel, in: Pharmazeutische Zeitung, URL: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=35934, abgerufen am: 08.05.2024 ↩︎
  7. Zydeck, T. (2014), Allergenkennzeichnung, ein Merkblatt der IHK, URL: https://www.ihk-bonn.de/fileadmin/dokumente/Downloads/Branchen/Gastgewerbe/Merkblatt_Allergenkennzeichnung.pdf, abgerufen am 08.05.2024 ↩︎
  8. Siehe bspw.: El Khoury et al. (2018), A Review on the Gluten-Free Diet: Technological and Nutritional Challenges, DOI: https://doi.org/10.3390/nu10101410, in: Nutritions, 2018, 10, S. 9 ↩︎

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